Forschungsprojekt
Projekt „Erzählung, Erwartung, Erfahrung. Behinderung im zeitgenössischen europäischen Theater und Film“
Leitung: Prof. Dr. Susanne Hartwig
Das durch die DFG 2020–2023 geförderte Projekt „Erzählung, Erwartung, Erfahrung. Behinderung im zeitgenössischen europäischen Theater und Film“ fragt danach, wie Theateraufführungen und Filme eingefahrene Vorstellungsbilder von ‚geistiger‘ Behinderung verändern können. Dazu untersucht es drei Ebenen der Aufführungen bzw. Filme:
- die Erzählungen, also die Kontexte, in die ‚geistige‘ Behinderung gestellt wird,
- die Erwartungen an Handlungen und Identität der Figuren mit ‚geistiger‘ Behinderung, die diese Erzählungen aufrufen – und zwar durch ihre eigene Logik, aber auch durch Bezüge auf das Vorwissen der Zuschauerinnen und Zuschauer aus der Lebenswelt –, und
- die Erfahrungen, die ein Zuschauer bezüglich ‚geistiger‘ Behinderung macht, also Erlebnisse, die sein Wissen verändern.
Eine erste Hypothese ist, dass vor allem solche Erzählungen Vorstellungsbilder von ‚geistiger‘ Behinderung positiv verändern können, die Erwartungen sowohl erfüllen als auch durchkreuzen und dank ambivalenter Strategien und Aussagen nicht in neue Stereotypen verfallen.
Das Projekt fragt auch nach den besonderen Merkmalen der Diversitätskategorie ‚Behinderung‘ – z.B. ihre Allgemeinheit, ihre markante Negativität, ihre Ambivalenz und ihr Potential, die gesamte Einschätzung einer Person zu dominieren („Halo-Effekt“) – , nach den Möglichkeiten, die Theater und Film Menschen mit ‚geistiger‘ Behinderung bieten, ihre eigene Weltsicht zu vermitteln, und danach, welche ästhetischen Innovationen Menschen mit ‚geistiger‘ Behinderung in Theater und Film bewirken. Schließlich werden medienspezifische Besonderheiten der untersuchten Aufführungen und Filme auf ihr Potential hin befragt, Ambivalenzen zu erzeugen und künstlerisch zu nutzen. Der Schwerpunkt der Analysen liegt auf den Ländern Spanien, Frankreich und Deutschland und auf der Zeit zwischen 1990 und heute.
Das Projekt umfasst drei Teilprojekte:
- Menschen mit ‚geistiger‘ Behinderung im Theater
- Menschen mit ‚geistiger‘ Behinderung im Film
- Theorie der Erfahrungen mit ‚geistiger‘ Behinderung in Theater und Film
Übergreifend wird der spezifische Beitrag der Theater- und Filmwissenschaften und allgemeiner der Fiktionsanalyse für grundlegende Fragen der Disability Studies herausgearbeitet.
Das Projekt umfasst eine Datenbank, die 2023 veröffentlicht werden soll, ist Teil eines Blogs, arbeitet eng mit der Forschungsgruppe RediartXXI (Universidad Carlos III/Madrid; Leitung: Prof. Dr. Julio Checa) zusammen und veröffentlicht die Interviews, die mit Theater- und Filmregisseuren und -regisseurinnen geführt wurden.