Gut und gut gemeint

Einem Menschen mit einer sogenannten “geistigen” Behinderung eine Stimme zu verleihen, heißt vielleicht nicht, ihn auf ein Podium zu setzen.

Ich erinnere mich an eine unangenehme Erfahrung. Eine Veranstaltung wollte damit Schluss machen, dass immer nur über Menschen mit “geistiger” Behinderung gesprochen wird und nicht mit ihnen. Sie luden einen Schauspieler mit “geistiger” Behinderung auf ein Podium ein. Ihm wurde eine Frage gestellt und er beantwortete diese Frage mit “Ja.” Dann war Stille. Der Mensch auf dem Podium lächelte. Er nutzte die Gelegenheit nicht, wie es üblicherweise geschieht, noch viele, viele Sätze nachzuschicken. “Ja” war für ihn  eine ausreichende Antwort. Und das Lächeln. Mir kam es so vor, als hätten die Organisatorinnen des Podiums diesem Menschen ihre Stimme und nicht seine Stimme geben wollen. Denn seine Stimme erklingt nicht sitzend auf einem Podium.

Susanne Hartwig