Komik und Behinderung haben einiges gemeinsam.
Die Gemeinsamkeit, die sofort ins Auge springt: Jemand hält sich nicht an die Regeln. Wer auf der Bananenschale ausrutscht, läuft nicht “normal” oder “ordnungsgemäß”, ebensowenig wie derjenige, der im Rollstuhl sitzt. Das Kind mit Down-Syndrom, dass fremde Menschen spontan umarmt, benimmt sich nicht “dezent”, ebensowenig wie die aufdringlichen Interviewer der “heute-Show”, die Politikerinnen und Politikern peinliche Fragen stellen und ihnen unangenehm auf den Leib rücken. Wo sie nicht befolgt werden, fallen Regeln plötzlich auf. Das bedeutet, sie sind nicht mehr der unscheinbare Hintergrund von Kommunikation und Verhalten. Man sieht sie, man kann sie diskutieren. Man kann sie in Frage stellen. “Eigentlich komisch ist nur der Mensch”, schreibt Helmuth Plessner, weil der Mensch eben mehreren Ebenen des Daseins zugleich angehört: Er ist Individuum und soziales Wesen, gehorcht einem Körper und einer Moral. Darauf verweist auch Behinderung. “Komik und Behinderung” ist ein überaus spannendes Thema.
(Helmuth Plessner, „Lachen und Weinen. Eine Untersuchung der Grenzen menschlichen Verhaltens (1941).“ In: Günter Dux/Odo Marquard/Elisabeth Ströker (Hg.), Helmuth Plessner. Gesammelte Schriften VII. Ausdruck und menschliche Natur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1982, S. 199).
Susanne Hartwig