Selbst gedreht

Film Review

Rambazamba vor und hinter der Bühne

Martha Ehrtmann

Rambazamba gehört zu einem der renommiertesten inklusiven Theater. Eine neue Dokumentation bringt die Arbeit des Berliner Ensembles auf die Kinoleinwand.

Im halbhellen Arbeitszimmer nimmt das große Bücherregal die gesamte Bildfläche der Videoaufnahme ein. In der Mitte sitzt Jonas Sippel, der sich selbst beim Klavierspiel filmt. Es scheint niemand anderes im Raum zu sein, sonst würde dieser den Klavierspielenden darauf hinweisen, dass sein Gesicht bei der Aufnahme nicht zu sehen ist.

Jonas Videoaufnahmen aus seinem privaten Alltag sind Teil der neuen Dokumentation über das Theaterensemble Rambazamba aus Berlin. Einige der Schauspieler mit Behinderung bekommen für ein paar Wochen eine kleine Filmkamera an die Hand, um ihren Alltag, ihre Arbeit bei Rambazamba oder einfach private Einblicke, wie den Spielenachmittag mit Freunden, zu filmen. Zudem begleitet ein Kamerateam die Gruppe aus Schauspielern, Tänzern und Sängern mit und ohne Behinderung bei den Proben und der ersten Aufführung des Stücks „Golem“.

Auf einer Ebene

Dabei tragen die Aufnahmen der Videokameras der Schauspieler zu einer unglaublichen Nähe bei. Der Zuschauer ist gezwungen durch die Filmaufnahmen den Blickwinkel der Filmenden einzunehmen und sich diesem anzupassen. Dennoch geht es – wie auch in der Arbeit und Vision von Rambazamba – nicht um Gleichmacherei, sondern vielmehr um die Begegnung auf Augenhöhe. Dabei wird schnell klar, dass bei der Arbeit am Theater kein Blatt vor den Mund genommen wird.

Wirklich wichtig?

Schauspieler Jonas will über seine zerbrochenen Liebesbeziehungen reden und wie diese ihn geprägt haben. Regisseur Jacob Höhne unterbricht ihn dabei jedoch und weist darauf hin, dass Jonas nicht aufgrund des begleitenden Fernsehteams sein „persönliches Seelenleben“ in den Mittelpunkt stellen solle, sondern das Theaterprojekt um Rambazamba. Die Gruppe lacht, Jonas schmunzelt verschmitzt und es geht weiter mit Stimmtraining, Tanzkursen und dem Einüben des Textes. Rambazamba – eine große Familie, in der jeder ernst und als wichtig wahrgenommen wird.

Im Verlauf des Films, der fast wie durch ein Fenster den Blick auf Errungenschaften aber auch Herausforderungen bei Rambazamba freigibt, vergisst der Zuschauer fast, dass es sich um eine Dokumentation handelt. Man wartet nur auf die nächste selbstgedrehte Szene, in der Jonas Sippel seine Sammlung an literarischen Hochkarätern präsentiert oder wie beim Urlaub in Südtirol das Bergpanorama ebenso ausführlich wie das Kofferpacken gefilmt werden.

Vor und hinter dem Vorhang

Zu einem Theaterstück gehört mehr als „nur“ ein Abend auf der Theaterbühne. Mit der Dokumentation „Ramba Zamba“ wird nicht nur ein Theaterensemble auf die Leinwand gebracht, sondern auch ein Tribut an das Team gezollt, zu welchem Schauspieler, Techniker, Choreografen und Maskenbildner gehören. Das zeigt auch das Toi-Toi-Toi-Ritual, mit dem sich das Team von Rambazamba Glück für eine gelungene Premiere wünscht.

„Rambazamba“, dieses Wort wird meist mit etwas Aufregendem, Chaotischem oder rhythmischer Unordnung assoziiert. Am weltweiten Tag des Downsyndroms sind die zwei Bands „Rausch Royal“ und „21 Downbeat“ des Theaterensembles auf den Straßen Berlins unterwegs und wollen für Aufmerksamkeit und Bewusstheit werben. Bei einer ergreifenden Rede spricht sich Schauspieler Sippel für Integration aus: „Menschen mit Trisomie-21 sind Teil der Menschheit“. Rambazamba ist nicht nur Bewegung und Action auf der Bühne, sondern auch als Inspirations- und Appellorgan mitten in der Gesellschaft präsent.

Neben der Bühne

Trotz allem: Der Film „Ramba Zamba“ zeigt auch die kleinen stillen Momente, sei es das Eincreme-Ritual vor der Vorführung, das Staubsaugen daheim oder die Pausen an einem Tag im Theater, an dem sich zwei Menschen in Gebärdensprache unterhalten, während andere Schauspieler der Kamera des Fernsehteams einen scheuen Blick zuwerfen.

„Ramba Zamba“ will mehr, als nur Integration im Theater zu zeigen. Und das gelingt in einer hervorragenden Manier: Einem Gleichgewicht aus Lärm und Stille, Licht und Dunkelheit, Schreien und Flüstern. Das Leben wird in „Ramba Zamba“ nicht nur auf die Bühne gebracht, sondern auch gefilmt und natürlich: Selbst gedreht.

 

“Ramba Zamba” ist seit Mai 2023 in deutschen Kinos verfügbar.