“Mir wäre das zu traurig”, ist der Kommentar einer Verwandten, als die Frau erzählt, dass sie nachmittags ehrenamtlich Kinder mit “geistiger” Behinderung betreut.
“Was genau”, hätte ich gerne zurückgefragt, “ist an Kindern mit ‘geistiger’ Behinderung traurig?” Oft ist die Vorstellung von Behinderung nämlich äußerst vage – und entsprechend diffus das Gefühl der Traurigkeit, das sich irgendwie spontan einstellt. Wird man konkreter, kommt man durchaus ins Grübeln. Mögliche Antworten, die mir einfallen: dass das Kind nicht die “gleichen Chancen” hat wie andere Kinder (aber was sind “gleiche Chancen”?); dass das Kind öfter krank ist (krank und behindert sind aber zwei verschiedene Kategorien); dass das Kind später einmal nicht glücklich wird (“Glück” ist ein sehr großes Wort!). Am kuriosesten finde ich die mögliche Antwort: dass das Kind einmal von seinem Umfeld stigmatisiert wird. Denn was anderes tut diese Verwandte, der der Umgang mit dem “geistig” behinderten Kind zu traurig ist, als: zu stigmatisieren?
Susanne Hartwig